Perspectief 2017-37

Perspectie 56 Jeonghun Michael Shin 3. Das Verhältnis zwischen Religion und Politik in der koreanischen Gesellschaft Wenn man alle Katholiken und Protestanten in Korea zusammenrechnet, kommt man auf zahlenmäßig weit mehr Christen als Buddhisten, aber der gesellschaftliche Einfluss des Christentums ist in Korea nicht so groß, wie man dementsprechend annehmen möchte. Dafür kommen einige Gründe in Betracht: Zunächst ist ein rechtlicher Aspekt zu nennen, denn Korea folgt dem amerikanischen Verfassungsmodell, das die Freiheit aller Religionen garantiert und keine bestimmte Religion bevorzugt. Daraus resultiert eine relativ strenge Trennung zwischen Staat und Religionen. Die koreanische Verfassung gewährleistet allen Bürgern Religionsfreiheit und die Regierung mischt sich allenfalls ein, wenn bei einem religiösen Institut oder einer Weltanschauungsgemeinschaft eine Straftat begangen wird. Allerdings ist Weihnachten seit 1949 und Vesakh (Geburtstag von Buddha) seit 1975 als staatlicher Feiertag geschützt, was aber beides ohne weiteres von der Bevölkerung akzeptiert wurde. Das distanzierte Verhältnis zwischen Staat und Religion kann auch aus der Geschichte erklärt werden. Unter der Herrschaft der Choseon durfte zwar der einzelne den Buddhismus praktizieren, dessen Wirkung in der Öffentlichkeit und gesellschaftliche Funktion waren jedoch stark eingeschränkt. Damit sah sich Religiosität zu einer rein persönlichen Wahl verkürzt, ohne ein relevanter Faktor zu sein, der gesellschaftliche Zustände kritisieren und ändern kann. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, dass Frauen in Korea, die nach wie vor die Hauptverantwortung für Kindererziehung und Haushaltführung tragen, grundsätzlich ein größeres Interesse an religiösen Themen zeigen als Männer und dass Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere Politiker, bei ihren Entscheidungen selten persönliche Glaubensüberzeugungen in den Vordergrund stellen, ja nicht einmal ihre Religionszugehörigkeit gern publik machen. Ein weiterer Grund für den geringen Einfluss von Religion auf gesellschaftlicher Ebene kann in der Religiosität der Koreaner selbst gefunden werden, die immer noch dem Schamanismus nahesteht. Es liegt im Wesen des Schamanismus, der durch Vermittlung von Geistermacht Unheil wie Krankheit abzuwehren und Glück herbeizubringen versucht, dass er sich an den einzelnen wendet. Das Subjekt des religiösen Lebens, das sich mit Leib und Seele dem Kult widmet,

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