Perspectief 2017-37

2017-37 Impulse aus der Reformation für die Zukunft der Kirche 35 Reag eer 8.4. Bedeutung der Theologie Viertens möchte ich die entscheidende Bedeutung der Theologie nennen. Die Reformation entstand am Studiertisch, nach einem fast ein Jahrzehnt dauernden Ringen Luthers mit der Theologie seiner Zeit. Man muss sich vor Augen halten, dass das, was Luther in seinen 95 Thesen sagt, im Kontext spätmittelalterlicher Theologie gar nicht so umwälzend war. Er hatte nur zu Ende gedacht, was in der Luft lag. Und er war es nicht allein. Luther lehrte in Wittenberg an einer jungen Universität, die faktisch wie ein theologisches Labor mit den fähigsten Leuten ihrer jeweiligen Fächer besetzt war. Das Bild vom einsam in seinem Turmzimmer ringenden Luther ist wirklich falsch! Die Konsequenzen seiner „reformatorischen Entdeckung“ wurden ihm selbst erst während einer Reihe akademischer Disputationen bewusst – in Augsburg, Leipzig und Heidelberg. Dort empfingen auch viele der späteren Reformatoren als Studenten ihren Impuls. Es gehört zu den spannendsten Fragen, wie aus einer so speziellen akademischen Debatte in Windeseile eine Volksbewegung werden konnte. Für mich wird hier deutlich: Wenn die akademische Theologie streng bei ihrer Sache bleibt, nämlich als Wissenschaft vom Wort Gottes nach dem Wort Gottes fragt, hat sie ein für die Kirche unersetzliches Potential. Dafür muss sie als universitäre Theologie von der Kirche als Institution (oder als Organisation) weitgehend unabhängig sein und in die wissenschaftliche Community eingebunden bleiben. Das enthebt sie freilich nicht der Aufgabe, zugleich im Sinn Schleiermachers „Theorie der Kirchenleitung“ zu sein. Die Folgen der Reformation beruhen in der Wiederentdeckung der Heiligen Schrift als Norm und Zentrum. Daraus ergibt sich methodisch die Einschätzung der biblischen Exegese als Leitwissenschaft, die der persönlichen Frömmigkeit ebenso dient wie der Kirche. Systematische Theologie ist dann – wie es Eberhard Jüngel ausdrückt – „konsequente, d.h. auf die Existenz des gegenwärtigen Menschen ausgerichtete Exegese“. 8.5. Die durch die Reformation hindurchgegangene Kirchen Mit dem fünften Aspekt betreten wir ökumenisch vermintes Gelände! Die These lautet: Die Reformation schuf keine „neuen Kirchen“. Sondern die Kirchen der Reformation sind Gestalten der durch die Reformation hindurchgegangenen Kirche – und nicht aus der Reformation erst hervorgegangen ! Das bedeutet: Eine Reformation ist, als Konzentration

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxMzI=