Perspectief 2017-37

Perspectief 30 Bisschop Martin Hein ist. Der Protestantismus zeigt damit, dass er nicht automatisch provinziell werden muss, sondern eine universalkirchliche Dimension hat. Dafür war der Auftakt durch den Gottesdienst in Lund, an dem Papst Franziskus teilnahm, ein starkes Symbol! 5. Reformation und Reform Das alles schärft die Fragestellung: Kann die Reformation in irgendeiner Weise ein Modell für anstehende Kirchenreformen sein? Sind wir der Reformation über theologische Anknüpfungen hinaus in besonderer Weise verpflichtet? Und wenn ja, welchem Verständnis von Reformation sind wir verpflichtet? Das Reformationsjubiläum in Deutschland trifft auf ein Klima der Reform in den Kirchen, das je nach Standpunkt mehr oder weniger als ein Klima der Krise verstanden wird. Mir ist dabei klar, wie sich die folgenden Punkte für Sie anhören: nämlich als Luxusprobleme! Mir geht es aber darum, Ihnen deutlich zu machen, dass wir von Ihrer Situation lernen können, sofern wir bereit sind, uns unserer Situation wirklich zu stellen! Drei Faktoren haben die Situation für die Kirchen in Deutschland grundlegend in den letzten Jahrzehnten verändert: • Durch den Fall der Mauer kamen Gebiete dazu, die weitgehend entkirchlicht waren. Die Kirchen der ehemaligen DDR brachten zudem sehr andere Traditionen im Verhältnis von Kirche und Staat mit. „Volkskirche“ war in der DDR immer als Minderheitenkirche definiert, die sich in Distanz zu Staat und Gesellschaft verstand. Es prallten sehr differente ekklesiologische Voraussetzungen aufeinander. Das ist keineswegs ein erledigtes Thema! Dies hat die Situation der Kirchen nach 1989 sehr verändert, wenn auch diese Veränderungen nicht überall angekommen sind. Wir haben ein deutliches West-Ost-Gefälle im Grad der Kirchlichkeit und der Christlichkeit. • Die demographische Entwicklung in Deutschland führt zur Überalterung, zur Verlagerung der Bevölkerung in urbane Ballungsräume und zu einer multikulturellen Gesellschaft, in der Kirchlichkeit und Christentum nicht mehr selbstverständlich sind. Wir werden zu Minderheitenkirchen. Es wächst – regional unterschiedlich – eine