Perspectief 2017-37

Perspectief 28 Bisschop Martin Hein Integrität seiner Botschaft in Frage? Und wie stark war Luther eingebettet in die wissenschaftliche „Community“ seiner Zeit? War er wirklich „Motor“ der Reformation oder bloß ihr „Exponent“? 2. Die Reformationsdekade Von 2008 bis 2017 wurde das Reformationsjubiläum in einer „Lutherdekade“ vorbereitet. Wissenschaft, Medien und Kirchen arbeiten in sogenannten „Themenjahren“ unterschiedliche Aspekte der Reformation heraus – mit wachsender öffentlicher Aufmerksamkeit. Doch auch in der gemeinsamen Vorbereitung des Jubiläums durch Kirche, Theologie, Staat und gesellschaftliche Institutionen zeigten sich zum Teil tiefgehende Differenzen. Vor allem von Seiten der theologischen Wissenschaft wurde heftige Kritik geübt, die sich zusammenfassen lässt in den Satz: „Luther wird für eine ganz und gar unkritische Sicht der Reformation vereinnahmt, die den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung nicht gerecht wird.“ Mit dieser These haben sich vor allem der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann und der Profanhistoriker Heinz Schilling profiliert. Von Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde wiederum eingewandt, dass die theologische Wissenschaft sich beim Reformationsjubiläum zu sehr zurückhalte und nur kritische Einwände formuliere, anstatt positiv den Ertrag der Reformation zu formulieren. Hier herrscht derzeit dicke Luft. Allerdings muss man deutlich sagen: Es handelt sich nur um einige Protagonisten, die aber hohe mediale Aufmerksamkeit erzielen. Unterhalb dieser Auseinandersetzung gibt es eine Flut von Veröffentlichungen, die kaum noch überschaubar sind und die, wie man sich denken kann, für alles und jedes Argumente und Belegmaterial finden. Die Reformation ist nicht nur umstritten, sie ist auch unübersichtlich geworden.Ich halte das für einen Gewinn: Tatsächlich kann niemand mehr „die“ Reformation für sich vereinnahmen, wie es bei den letzten Reformationsjubiläen noch der Fall war. Auf der anderen Seite gibt es eine große Überraschung, mit der zu Beginn der Lutherdekade niemand rechnete: Einmalig in der Nachkriegsgeschichte wird sein, dass in allen Bundesländern der 31. Oktober 2017 ein arbeitsfreier Feiertag sein wird. Das zeigt, wie hoch die Aufmerksamkeit der Politik quer durch die Parteien auf die Reformation ist.

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