Perspectief 2016-34

Perspectief 14 Prof. dr. Veronika Hoffmann Element von „Verkennung“. Das liefe m.E. jedoch auf eine moderne Trivialisierung der Rechtfertigungsbotschaft hinaus: „Du bist gut so, wie du bist“. Als Sünder ist der Mensch aber gerade nicht „gut so, wie er ist“, er ist nicht einfach „annehmbar“. Ich schlage deshalb die Denkfigur vor, dass auch in Gottes Anerkennung der, der anerkannt wird, mit dem, als der er anerkannt wird, nicht einfach zusammenfällt. Man könnte also sagen, dass auch Gottes Anerkennung eine „verkennende“ ist. Freilich ist der Begriff in diesem Fall missverständlich, weil es sich bei Gottes Anerkennung ja um eine bewusst und, wie wir sehen werden, schöpferisch „verkennende“ Anerkennung handelt. Auch wenn es sich also formal um dieselbe Struktur der Nichtidentität handelt, wie sie der „verkennenden Anerkennung“ bei Bedorf zu Grunde liegt, wäre für Gottes Anerkennung deshalb besser z.B. von einer „nicht-identifizierenden Anerkennung zu sprechen“. 9 Was ist damit genauer gemeint? Der, den Gott anerkennt, ist ein Sünder. Und wenn Gott den Sünder anerkennt, dann natürlich nicht als solchen . Das wäre schon deswegen widersinnig, weil Kennzeichen der Sünde gerade die Verweigerung von Anerkennung ist. Wenn Gott den Sünder anerkennt, dann erkennt er ihn in Christus „als Gerechten“ an. Das bedeutet, dass Gott, wenn er den Sünder anerkennt, gewissermaßen „mehr“ in ihm „sieht“, als aktuell ist. Und präzise dieses „Mehr-Sehen“, so sei behauptet, bildet den Grundimpuls seiner rechtfertigenden Liebe. Das „Verkennungsmoment“ ist also ein positives, deshalb besser gekennzeichnet als ein Moment der Nicht-Identifizierung: Gott legt uns in seiner Anerkennung gerade nicht auf das fest, was wir sind: eine Sünderin, ein Sünder. Entscheidend – und über alle zwischenmenschlichen Formen der Anerkennung hinausreichend – ist nun die schöpferische Macht dieser „nicht-identifizierenden 9 Vgl. Veronika Hoffmann, „Rechtfertigung als Gabe der Anerkennung.“ Ökumenische Rundschau 60 (2011): 160–177; dies., Skizzen zu einer Theologie der Gabe . Über die klarste und am wenigsten missverständliche Terminologie bin ich mich hier noch nicht schlüssig. In der Sache auf dasselbe zielend, habe ich 2011 noch von „schöpferischer Verkennung“ gesprochen, was mir dann aber zu missverständlich erschien. 2013 und auch in der Präsentation meiner Überlegungen im Rahmen der Societas oecumenica habe ich die etwas klarere, aber auch umständlichere Formel „schöpferisch verkennende Anerkennung“ vorgezogen. Uwe Swarat hat in der Diskussion jedoch dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass der Begriff immer noch irreführende Konnotationen hat, so dass ich jetzt den Terminus „nicht-identifizierende Anerkennung“ vorschlage.

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