Perspectief 2016-31

Perspectief 30 Bisschop Prof. Dr. Martin Hein – jedenfalls aus westlicher Perspektive – lässt diese Frage an Gewicht gewinnen. Was also lässt sich protestantischerseits sagen? Ich traue mich im Folgenden weit nach vorne – hier wird nicht jeder evangelische Christ folgen wollen –, denn es gibt in der evangelischen Tradition eine Linie radikal prinzipieller Ablehnung von Hierarchie und gestuften Ämtern, vor allem in der Tradition der Schweizer Reformation, der Täuferbewegung und des Pietismus, die über die in Barmen IV formulierte Nebenordnung der Ämter noch hinausgeht. Das ist der Grund, warum es in vielen protestantischen Kirchen zum Beispiel kein Bischofsamt gibt, wohl aber Ämter mit bischöflicher Funktion. Ich versuche, eine lutherische Position zu markieren, die ich allerdings durchaus für konsensfähig halte, weil sie den protestantischen Grundimpuls des „Priestertums aller Gläubigen“ durchhält und gleichwohl für die sichtbare Kirche so etwas wie Anciennität annehmen und würdigen kann. Wir sind immer auch ein historisches Gebilde, und die Tiefe der historischen Entwicklung der Ämter zu übersehen oder schlicht zu leugnen, wäre wieder unhistorisch. In den exklusiv an Petrus gerichteten Aufträgen Jesu, Fels der Kirche zu sein, das Amt der Schlüssel zu verwalten und „die Lämmer zu weiden“ (Joh 21,15), erkenne ich den apostolischen Auftrag, der die gesamte Kirche meint. Schon das Apostelkonzil von Jerusalem zeigt, dass sich daraus keine exklusive Stellung begründet. Der Auftrag an Petrus sichert die Apostolizität im Sinne der Weitergabe des Evangeliums in Wort, Schrift und Tat der Liebe als Auftrag an alle getauften Christen, wie es ja gerade – und man möchte fast sagen: ausgerechnet! – im 1. Petrusbrief ausdrücklich gesagt wird. 3.2 Das Petrusamt in konziliarer Einbindung Dabei kann ich mich darauf verständigen, dem Bischof von Rom eine historisch besondere Bedeutung zuzuschreiben, die als solche auch den ökumenischen Patriarchaten der östlichen Christenheit zugestanden werden muss. Der reformatorische Impuls erlaubt uns hier, gleichen Abstand bzw. gleiche Nähe zu halten. Die konkrete historische Ausgestaltung des Petrusamtes als Papstamt allerdings wird solange ein Hemmschuh für das ökumenische Gespräch bleiben, als diesem Amt eine exklusive Stellung des Lehramts, der Jurisdiktion und der Infallibilität zugesprochen wird. Das können auch die orthodoxen Kirchen nicht anerkennen kann, weil eine solch exklusive Stellung keinen Anhalt im Zeugnis sowohl der Heiligen Schrift als auch der großen

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