Perspectief 2016-31

2015-31 Das Ringen um ein ökumenisches Reformationsgedenken in Deutschland 29 Reag eer Inhalt, sondern auch ihrer Methode nach aus der Heiligen Schrift erhoben und an diese zurückgebunden werden muss. Das ist für mich eine der wesentlichen Errungenschaften der Reformation – und zwar eben nicht als eine Neuerung, die stracks in eine alles relativierende Moderne führt, wie gerne vor allem aus fundamentalistischen Kreisen hüben und drüben formuliert wird, sondern als eine „Neuerung“, die im Grunde auf die dynamische Auslegungskultur der apostolischen Zeit und der Alten Kirche zurückgreift. Schon die Vielfalt des Kanons repräsentiert doch eine Vielfalt der Auslegungen des einen Christusereignisses, und man kann die Weisheit der Kirchenväter nur bewundern, diese Spannung in den Kanon der Schrift hineingetragen zu haben und sie eben nicht marcionitisch zu verkürzen. So begründet die Vielfalt des Kanons die Vielfalt der Konfessionen, wie Ernst Käsemann es formulierte, und sorgt dafür, dass die Kirche als ganze niemals in einer Lehrtradition erstarren kann. Damit ist deutlich, dass aus evangelischer Sicht die exklusive Geltung eines singulären Lehramts nicht möglich ist. Das wird ein Stachel im Fleisch der universalen Kirche bleiben. Kirche ist Auslegungsgemeinschaft – das ist für mich eine weitere der wesentlichen Errungenschaften der Reformation. Dabei sehe ich durchaus, dass im Blick auf die eine universale Kirche die großen ökumenischen Konzilien eine besondere Stellung einnehmen und nach wie vor gültige Grenzen der Schriftauslegung beschreiben. Und in diesem Sinn hat die Tradition auch aus evangelischer Sicht die wichtige Funktion, die Einheit der Kirche in der Spanne der Jahrhunderte sichtbar zur Geltung bringen und nachvollziehbar zu machen. In der Zuordnung von Schrift und Tradition wird freilich die Heilige Schrift immer den Vorrang haben – denn der Schrift vorgeordnet ist das Wort Gottes selber, das in der Schrift enthalten, aber mit ihr eben nicht identisch ist. 3. Das Petrusamt 3.1 Der Auftrag an Petrus: Apostolizität, nicht Exklusivität Wie können wir nun doch eine evangelische Position zum Papstamt gewinnen? Das wird ja für eine gemeinsame Reformationsfeier oder doch zumindest für ein gemeinsames Reformationsgedenken eine nicht unwesentliche Frage sein. Die Popularität des jetzigen Papstes, der in manchen Fragen schon fast wie eine Art Sprecher des Christentums fungiert

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