Perspectief 2016-31

Perspectief 32 Bisschop Prof. Dr. Martin Hein der lutherischen Bekenntnisbildung wurden, sind darum aus heutiger Sicht ihrerseits zu verwerfen: nicht nur, weil sie zeitgebunden sind, sie halten auch theologisch einer Überprüfung nicht stand. Ausgrenzende Abgrenzung ist nicht geeignet, einen Prozess der Verständigung zu eröffnen. Vielmehr gilt es, durchaus in Aufnahme der Impulse weniger radikaler Reformatoren wie z.B. Philipp Melanchthons, dem die Einheit der Kirche über partikulare Abgrenzungswünsche ging, nach einer möglichen positiven Funktion eines zwar hervorgehobenen, aber nicht exklusiven Petrusamtes nachzudenken. So könnte dem Papstamt seine partikulare, auf das Bischofsamt für die Stadt Rom beschränkte, historisch bedeutsame Funktion zugestanden werden – wie ich es übrigens ansatzweise bei Papst Franziskus zu erkennen meine, der sich öfter als seine Vorgänger ausdrücklich „Bischof von Rom“ nennt. Es wäre die Anerkennung einer spezifischen Anciennität des Amtes, wie sie auch den ökumenischen Patriarchen zusteht. Damit kann zugleich der typisch protestantischen Gefahr eines bloß kongregationalistischen Verständnisses von Kirche gewehrt werden, das der Universalität der einen, heiligen, apostolischen und christlichen Kirche nicht ausreichend Rechnung trägt und oft genug in einen theologischen und spirituellen Provinzialismus führt, der dem reformatorischen Prozess als universalkirchlichem Vorgang nicht eben zuträglich ist. Insofern ist es natürlich nach wie vor bedauerlich und schmerzhaft, dass die römisch- katholische Kirche sich vom Ökumenischen Rat der Kirchen fernhält. Wäre das Reformationsjubiläum nicht ein guter Anlass, an dieser Stelle noch einmal gründlich nachzudenken, ob die betrübliche Spaltung der sichtbaren Kirche des Westens nicht wenigstens im Ansatz überwunden werden kann? Ein Petrusamt, das die Erfahrung von fast zweitausend Jahren Kontinuität in den ökumenischen Diskurs einbringt, könnte die Erinnerung an die gemeinsame Geschichte wachhalten, die durch den reformatorischen Prozess nicht ausgelöscht, sondern im besten Sinn „aufgehoben“ werden sollte. Es wäre für mich ein großer Gewinn, wenn wir 2017 nicht nur – quasi zurückgewandt – die Heilung der Erinnerung begehen könnten, sondern auch in einem sichtbaren Schritt jenen Prozess vorantreiben könnten, den wir innerevangelisch – aber auch erst seit rund 50 Jahren – gehen können: Die Einheit in versöhnter Verschiedenheit.

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