Perspectief 2016-31

2015-31 Das Ringen um ein ökumenisches Reformationsgedenken in Deutschland 25 Reag eer Organisationsförmig erscheint dies vor allem in der Anerkennung der Vielfalt der Bekenntnisse und damit zugleich in der Ablehnung einer an ein exklusives Amt gebunden Lehre. Dabei darf man nicht den Fehler begehen, die vier „sola“ sozusagen in einer scholastischen Umkehrung negativ zu formulieren. „Allein die Schrift und nicht der Papst“, „allein die Gnade und nicht der Verdienst“, „allein der Glaube und nicht die Werke“, „allein Christus und nicht Kirche“: So wird und wurde es freilich oft gehandhabt, und ich denke, diese Tradition, Protestantismus aus Abgrenzung heraus zu definieren, hat zu unserer Geschichte gegenseitiger Verletzungen nicht wenig beigetragen. Denn da werden ja auch dem Katholizismus Positionen unterstellt, die er so gar nicht vertritt – jedenfalls nicht in seinem Selbstverständnis. Will man aber in ein Gespräch eintreten, muss man die Selbstwahrnehmung des Gesprächspartners respektieren. Auch die katholische Theologie hat ein Verständnis von Lehrentwicklung und eine Dynamik von Veränderungsprozessen, die freilich einer anderen institutionellen und theologischen Logik folgen. Zu deren Schärfung hat die Reformation aber nicht wenig beigetragen. Für mich wäre die Aufarbeitung dieses im Grunde positiven Impulses zur Selbstverständigung ein Ansatzpunkt, an dem auch die katholische Kirche etwas zu feiern hat: Sie hat sich selbst durch die Reformation besser kennengelernt und tut es bei jeder ökumenischen Begegnung bis heute. So ist auch sie dem reformatorischen Prozess ausgesetzt. Das Verständnis der Reformation als permanentem geistlichen Prozess – der nicht mit einem ewigen Reformprozess verwechselt werden sollte – hilft uns, die universalkirchliche Perspektive durchzuhalten und vor allem die Erwartungen an konziliare Prozesse zur Verständigung und Lehrbildung deutlich zu formulieren. Reformation als andauernder geistlicher Prozess der Rückbindung an die Schrift hält die ökumenische Perspektive wach. Neben der römisch-katholischen Kirche sind auch die orthodoxen Kirchen eingeladen, sich diesem Prozess anzuschließen. Das sollte nicht aus dem Blick geraten – den orthodoxen Kirchen stehen beide, die römisch-katholische und die protestantischen Kirchen gegenüber, wenn auch in einer unterschiedlichen Position. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die entstehenden protestantischen Kirchen in ihrem Bemühen, ein gesamtchristliches Konzil zu erwirken, auch Kontakt mit der orthodoxen Kirche aufgenommen hatten.

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