Perspectief 2016-31

Perspectief 22 Bisschop Prof. Dr. Martin Hein sie in manchem ihr Profil, gerade was die Fragen von Jurisdiktion und Amt betrifft, gegenüber der mittelalterlichen Kirche, wie sie uns etwa im Konstanzer Konzil begegnet. Der Historiker Heinz Schilling geht dabei sogar so weit, Ignatius von Loyola – neben Luther und Calvin – als den dritten Reformator zu bezeichnen, damit auch den nachtridentinischen Katholizismus als einen Reformkatholizismus zu betrachten und folglich, durchaus provokant, die römisch-katholische Kirche als eine Konfessionskirche. Noch komplexer – und für einen protestantischen Theologen dann schon eine wirkliche Herausforderung – wird dieser Blick auf „Rom“, wenn wir die beiden Vatikanischen Konzilien hinzunehmen. Während das Erste Vatikanum aus protestantischer Sicht den Katholizismus noch „katholischer“ machte, erlebten wir das zweite Vatikanum als eine Öffnung, ja in manchem als einen Schritt auf uns zu. Aber welcher evangelische Theologe, welche evangelische Theologin verfügt über die Expertise, hier kundig Auskunft geben zu können? Es gibt in der evangelischen Theologie eine Rezeptionssperre gegenüber der katholischen Theologie, die von katholischer Seite leicht zu dem Eindruck führen kann, auf unserer Seite würden nur die Ansätze rezipiert, die in der katholischen Kirche eher randständig sind – vor allem in jener globalen Perspektive, die der katholischen Kirche zu eigen ist und den wir als Protestanten via Ökumene oft nur mit Mühe einnehmen können. Für uns Protestanten bedeutet das dreierlei: Zum einen müssen wir uns hüten, dass unser Bild der spätmittelalterlichen Kirche zur Zeit Luthers nicht vom Bild des nachtridentinischen Katholizismus bestimmt wird. Zum zweiten ergibt sich daraus ein differenzierter Blick auf die Geschichte gegenseitiger Verletzungen: Man muss den aggressiven Ton der Reformationszeit von den kontroverstheologischen Debatten in der Folgezeit unterscheiden. Und schließlich müssen wir uns hüten, jene katholische Positionen, die in Folge des Zweiten Vatikanum entwickelt worden sind, allzu schnell als „im Grunde protestantisch“ zu vereinnahmen. Da könnten leicht aus gutem Willen neue Verletzungen entstehen. Ganz aktuell möchte ich das an einem Beispiel verdeutlichen: Es mag gut sein, dass viele Protestanten die Lockerung der Regelung zur Annullierung der Ehe, wie sie Franziskus gerade vorgenommen hat, als „einen Schritt in die richtige Richtung“ interpretieren. Aber

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